Jeder Fan ist aufgeregt, wenn er zu
einem Konzert von seinem Lieblingsmusiker geht, aber dieses Mal
fühlte ich mich, als hätte ich zum 1. Mal Drogen genommen! Ich
war gespannt, wie eine Geigensaite – schon um halb sechs am
Morgen, obwohl ich sonst morgens nie aus dem Bett komme. Am PC
entdeckte ich eine Mail von Susanne, die auch zum Konzert kommen
wollte. Leider war ihre Arbeitskollegin krank geworden und
Susanne musste arbeiten. Was für eine Enttäuschung – und nicht
nur für sie! Arme Susanne!!!!! Sie hatte ein Gedicht für Angelo
mitgeschickt, das druckte ich fix aus und packte es mit einigen
anderen Grüßen von anderen Fans in einen Umschlag. Ihn zu
überreichen war das Mindeste was ich machen konnte.
Ich denke,
ich habe schon öfter erwähnt, dass ich mehr oder weniger auf der
Schlossinsel aufgewachsen bin. Andere Leute haben einen Balkon,
ich hatte den Schlosshof. Dort lernte ich töpfern und Spanisch
an der Volkshochschule, feierte Mittelalter- und Weinfeste,
erlebte Theater und Konzerte und tanzte selber mit unserer
Volkstanzgruppe. Deshalb war dieses Konzert etwas ganz
besonderes für mich. Ich hatte sogar alle Zeitungsberichte in
einem Heft gesammelt, um einen würdigen Rahmen für mein erstes
Autogramm von Angelo zu haben.
Am Samstag
konnte ich nicht zu Hause sitzen, sondern fuhr schon mittags
nach Bad Pyrmont. Ich träumte davon, Angelo in der Stadt zu
treffen. Außerdem hatte ich mich mit Bärbel und Volker
verabredet. Beim Kaffee trinken konnten wir von Angelo schwärmen
und über Kameras fachsimpeln. Danach gab es noch ein
italienisches Eis und die Bedienung erzählte uns ganz stolz,
dass er Angelo wirklich in der Brunnenstraße gesehen hatte!!!!
Ich kann ihn nur um Minuten verpasst haben!
Auf dem Weg
zu meiner Mutter (um mich umzuziehen), konnte ich natürlich
nicht am Schloss vorbei gehen, sondern warf einen Blick vom Wall
in den Hof. Dort waren die Musiker gerade dabei, ihre
Instrumente aufzubauen und zu stimmen. Da ich auf der
Schlossinsel natürlich auch die Geheimgänge kenne, war ich fix
hinter der Bühne. Der Tunnel war mit einem Bändchen abgesperrt,
aber dort stand Davide und suchte was in seiner Tasche. Wenn ich
gewusst hätte, dass er auch Englisch spricht, wäre ich
vielleicht mutig genug gewesen, ihn anzusprechen. Aber so genoss
ich nur den Augenblick und versuchte, wieder ganz ruhig zu
werden.
Als ich
dann wieder oben auf der Mauer war, blieb mein Herz fast stehen.
Da unten auf der Bühne stand Angelo Branduardi. Er war wirklich
dort! Ich konnte ein halbwegs gutes Foto machen, bevor er in den
Hintergrund verschwand. Also wieder runter in den Tunnel. Leider
war ich am falschen Ende und es standen zu viele Geräte und
Leute zwischen Angelo und meiner Kamera. Hätte ich hingehen
sollen? Stattdessen ging ich wieder nach oben und hinter die
Bühne. Dort konnte ich Angelo beobachten, aber er schaute nie
nach oben.
Um 17:30
Uhr wurden alle Besucher gebeten, die Schlossinsel zu verlassen.
Also ging ich zu meinem alten Zuhause, zog mich um und holte
meine Tochter Johanna und das Plakat mit den Grüßen von allen
Branduardi-ans. Da der Einlass für 19 Uhr angekündigt war,
dachte ich, um 18 Uhr ganz vorne am Tor zu stehen, aber da
standen schon mindestens 30 Leute. Es gibt also doch noch viele
andere Fans! Alleine mit unserem Plakat kamen wir schnell ins
Gespräch mit den anderen Wartenden. Eine Dame hatte ein Shirt
mit „Caminando, Caminando“ an, aber sie kannte noch nicht unsere
Fan- Gruppe, sondern nur Sandra Bloh. Viele waren erstaunt, in
welchen entfernten Ländern Angelo bekannt ist. Bärbel und Volker
kammen kurz darauf und Volker hat auch die wartende Menge
fotografiert. Langsam wurde ich wieder nervös, denn die 1. Reihe
war reserviert und ich wollte einen guten Platz! Da kam noch
einen SMS von Susanne, die nicht sicher war, ob ich die Mail
noch gelesen hatte. Da hatte Yahoo meine Antwortmail wohl mal
wieder verschleppt! Ich hatte ja schon geplant, sie während dem
Konzert anzurufen, damit sie mithören konnte, aber alle Handies
mussten ausgeschaltet werden.
Als sich
die Tore öffneten, rannte die Menge los – irgend jemand meinte,
es wäre wie in der DDR wenn es Bananen gab! Alles rannten bis
nach hinten in den Hof und die Reihen füllten sich in
Sekundenschnelle bis zur Mitte. Also lief ich fix auf die andere
Seite und schaffte es in der 3. Reihe bis zur Mitte. Johanna und
ich reservierten gleich noch Plätze für Bärbel, Volker und meine
Schwester Ulrike. Innerhalb von 2 Minuten waren die ersten 10
Reihen voll. Alle anderen kamen gemächlich - nicht jeder legt
Wert auf einen Platz ganz vorne (zum Glück!). Ulrike wollte auch
keinem echten Fan einen guten Platz wegnehmen, aber beim Konzert
merkte sie dann, dass sie ja selber doch ein Fan ist und man in
den ersten Reihen doch besser genießen kann. Sie fühlte sich wie
verzaubert!
Normaler
Weise wird man bei Konzerten ja bis auf die Haut gefilzt, um
keine Flaschen und Waffen mitzubringen. Aber nicht im Schloß!
Hätte ich das gewusst, wäre ich mit voller Kameraausstattung und
einer großen Flasche Wasser gekommen. Aber na ja, der
Cateringservice will ja auch leben und wir holten uns ein wenig
Proviant.
Pünktlich
um 19:30 Uhr öffnete der Himmel die Schleusen und einige Leute
an den Rändern öffneten ihre Schirme, aber da wir ja in der
Mitte saßen, hörten wir nur den Regen. Die extra Stühle standen
im Regen, aber wer dort saß, trug ihn einfach zwischen die
anderen Reihen unter die großen Schirme. (Als die gebaut wurden,
gab es viel Protest, weil sie hässlich und viel zu teuer seien.
Aber geöffnet sehen sie romantisch aus. Da werden Gelder so oft
für wirklichen Schrott ausgegeben – hier waren sie sinnvoll
angelegt.)
Bevor
es losging, wurde uns mitgeteilt, dass Foto- und Audioaufnahmen
aus urheberrechtlichen Gründen verboten seien! Ein Stöhnen ging
durch die Reihen. Ich war auch sauer, andererseits konnte ich
jetzt das Konzert ohne Ablenkung genießen. Ich hoffte auf den
offiziellen Fotografen – zu recht!